Ralph Kull, der sich einst als ›Kind der Postmoderne‹ bezeichnete, um seinen inneren Zustand beim Studienbeginn und vielleicht auch den der Hochschule in den 70er und 80er Jahren zu beschreiben, ringt um das Wiedergewinnen der verlorenen Einheit – mit Hilfe des Fragments. Diese Einheit ist durchgängig, sowohl als Verlust, wie als Gewinn oder als Unmöglichkeit. Im Bild wie im Leben bleibt der Mensch zerrissen, hin und hergeworfen zwischen Wollen und Sein, zwischen dem bloß Sozialen und dem Selbstsein. Es lastet auf ihm der Fluch der Nichtidentität. Das ist der Konflikt, der über die Selbstwahrnehmung als das rein Psychologische hinausgeht. Das ist der Hiatus als Abgrund, als schmerzliche Differenz, die ausgehalten werden muss, um überhaupt sich zur eigenen Existenz durchzuschlagen, was soviel heißt, wie sich selbst zu erschaffen, um sich zu erfinden und zu erneuern. Das gilt natürlich für jeden Menschen, der es ernst nimmt mit dem Leben, mit der Teilnahme an Wirklichkeit, sei es die von innen oder die von außen. Deshalb gibt es in Ralph Kulls Werk diesen Zug zum Offenen, das geschlossen werden muss. Sowohl vom Künstler als auch vom Betrachter. Dieser Zug zum Fragmentarischen, zur dialektischen Figur zwischen Halt und Haltlosigkeit, zwischen opak und transparent und zwischen Andeutung und fester Behauptung ist sowohl das Formale wie auch gleichzeitig der Inhalt als Thema und Sinn der Bilder von Ralph Kull. Seine Kunst war immer Kunst des Übergangs, eine Kunst des Transits, man kann auch sagen: die Arbeit an der Transzendenz. Diese Arbeit als eine zu bewältigende Anstrengung, trotz aller Leichtigkeit im Vortrage, findet sich wieder, gleichermaßen als vereinigendes Element, in der ganzen Ausstellung.

Giso Westing

Kull - Szene (), 2020; Detail

Szene, 2020; Detail

Kull - Die Bedeutung, 2020

die Bedeutung, 2020

Kull - ohne Titel (Seehn), 2020

ohne Titel (Seehn), 2020/17